Rotationsspektroskopie linearer zweiatomiger Moleküle

Für ein lineares zweiatomiges Molekül, das als starrer Rotor betrachtet wird, ist die Größe des Drehimpulses durch den Folgenden Ausdruck gegeben:

J=\sqrt{j(j+1)} \cdot \hbar

Die Rotationsenergie ist durch

E_{j}=J^{2} / 2 I=j(j+1) \cdot \hbar^{2} / 2 I

gegeben, wobei j die Drehimpuls-Quantenzahl und I das Trägheitsmoment ist.

Wenn das Molekül ein permanentes elektrisches Dipolmoment hat, können Übergänge zwischen verschiedenen Rotationszuständen durch optische Spektroskopie beobachtet werden (im fernen IR- und Mikrowellenbereich). Allerdings sind nicht alle Rotationsübergänge spektroskopisch erlaubt; die Auswahlregel lautet \Delta j=1. Daher kann eine Absorption elektromagnetischer Strahlung nur für Übergänge auftreten, die die Bedingung j \rightarrow j+1 erfüllen.

Herleitung eines Ausdrucks für die Wellenzahl eines Rotationsübergangs

Es soll im Folgenden gezeigt werden, dass die Wellenzahl \widetilde{\nu} für einen erlaubten Rotationsübergang j \rightarrow j+1 durch \widetilde{ \nu }=2 \widetilde{B}(j+1) gegeben ist; wobei \widetilde{B} die Rotationskonstante ist :

\widetilde{B}=\hbar^{2} / 2 \ln c=\hbar / 4 \pi c I

Das Intervall \Delta \tilde{\nu} zwischen zwei benachbarten Linien im Rotationsspektrum ist konstant:

\Delta \widetilde{\nu}=2 \widetilde{B}
\begin{aligned}
\Delta E =E_{j+1}-E_{j}&=[(j+1)(j+2)-j(j+1)] \frac{\hbar^{2}}{2 I} \\ \\
&=2(j+1) \frac{\hbar^{2}}{2 I} 
\end{aligned}

Es folgt:

\begin{aligned}
\widetilde{\nu}&=\frac{\Delta E}{h c} \\ \\ 
&=2(j+1) \frac{\hbar^{2}}{2 I h c} \\ \\ 
&=2(j+1) \widetilde{B} \\ \\
&= \underline{ 2 \widetilde{B}(j+1)}
\end{aligned}

Bindungslänge von Chlorwasserstoff

Für Chlorwasserstoff (^{1}\mathrm{H} ^{35}\mathrm{Cl}) in der Gasphase wurden die folgenden Absorptionslinien gemessen: 83.32, \, 104.13, \, 124.73, \, 145.37, \, 165.89, \, 186.23, \, 206.60 und 226.86\,\mathrm{cm}^{-1}. [1]

Im folgenden soll die Bindungslänge \mathrm{R} für Chlorwasserstoff berechnet werden.

Die 7 Intervalle zwischen den 8 Wellenzahlen sind ungefähr gleich groß, wir können Chlorwasserstoff daher annähernd als starren Rotor betrachten.

\Delta \widetilde{  \nu  }=20.81,\,20.60, \, 20.64, \, 20.52, \, 20.34, \, 20.37, \, 20.26 \,  \mathrm{cm}^{-1}

Im Durchschnitt erhalten wir:

\Delta \widetilde{ \nu }=(226.86 - 83.32) / 7 = 20.51\, \mathrm{cm}^{-1} = 2 \widetilde{B}

Für die Rotationskonstante ergibt sich so:

\widetilde{B} = 20.51 / 2 = 10.26\, \mathrm{cm}^{-1}

Womit wir das Trägheitsmoment von Chlorwaserstoff berechnen können:

\begin{aligned}
\widetilde{B} &= \frac{\hbar}{4 \pi c I} \\ \\
\Rightarrow I &= \frac{\hbar}{4 \pi c \bar{B}} \\ \\ 
&= \frac{1.05457 \cdot 10^{-34} \,  \mathrm{J} \,  \mathrm{s}}{4 \, \pi \cdot 2.998 \cdot 10^{10} \,  \mathrm{cm} \,  \mathrm{s}^{-1} \cdot 10.26 \,  \mathrm{cm}^{-1}} \\\\ 
&=2.728 \cdot 10^{-47} \,  \mathrm{kg} \,\mathrm{m}^{2}
\end{aligned}

Womit wir die Bindungslänge erhalten können:

I=\mu R^{2} \quad \Rightarrow \quad R=\sqrt{\frac{I}{\mu}}

Dazu benötigen wir nur noch die reduzierte Masse:

\begin{aligned} 
\mu &=\frac{m_{\mathrm{H}} m_{\mathrm{Cl}}}{m_{\mathrm{H}}+m_{\mathrm{Cl}}} \\ \\
& = \frac{1.0078 \cdot 34.9688}{1.0078+34.9688} \\ \\
& =0.97957 \,  \mathrm{u} \\ \\
& = 0.97957 \cdot 1.66054 \cdot 10^{-27} \\ \\ 
&=1.6266 \cdot 10^{-27} \,\mathrm{kg}
\end{aligned}

Und somit ergibt sich:

\begin{aligned}
R &=\sqrt{\frac{I}{\mu}} \\ \\ 
&=\sqrt{\frac{2.728 \cdot 10^{-47}\, \mathrm{kg} \,m^{2}}{1.6226 \cdot 10^{-27} \, \mathrm{kg}}} \\ \\
&=1.295 \cdot 10^{-10} \, \mathrm{m} \\ \\ 
&=  \underline{ 129.5 \, \mathrm{pm}}
\end{aligned}

Bonus: Welche Werte für die Drehimpuls-Quantenzahl j ergeben sich für den Übergang bei \widetilde{ \nu }=83.32 \mathrm{cm}^{-1}?

\begin{aligned}
\widetilde{ \nu }_{(j \rightarrow j+1)}&=2 \widetilde{B}(j+1) \\ \\ 
\Rightarrow j &= \frac{\widetilde{ \nu }}{2 \widetilde{B}}-1 \\ \\ 
&=\frac{83.32}{20.51}-1 \\ \\ 
&=3.06 \\ \\
&\cong 3
\end{aligned}

Der Übergang ist somit j=3 \rightarrow 4

Abschätzung der Absorptionslinien von Deuteriumchlorid

Wenn die Wellenzahlen für die entsprechenden Linien im Spektrum von Deuteriumchlorid (^{2}\mathrm{H} ^{35}\mathrm{Cl}) abgeschätzt werden soll müssen wir zunächst davon ausgehen, dass Deuteriumchlorid die gleiche Bindungslänge R wie Chlorwasserstoff hat.

\mu_{\mathrm{HCl}}=1.6266 \cdot 10^{-27} \,  \mathrm{kg}
\begin{aligned}
\mu_{\mathrm{DCl}} & = \frac{m_{\mathrm{D}} m_{\mathrm{Cl}}}{m_{\mathrm{D}}+m_{\mathrm{Cl}}} \\ \\
& = \frac{2.0141 \cdot 34.9688}{2.0141+34.9688} \\ \\
&=1.90441  \, \mathrm{u} \\ \\ 
&= 1.90441 \cdot 1.66054 \cdot 10^{-27} \,\mathrm{kg} \\ \\
&= 3.1624 \cdot 10^{-27} \,\mathrm{kg}
\end{aligned}

Um die energetische Lage der Absorptionslinien abschätzen zu können, müssen wir wissen, wie das Verhältnis der Lage der Absorptionslinien der Isotopomere zueinander ist. Da im Modell des starren Rotors der Abstand der Absorptionslinien konstant ist, reicht die Annahme gleicher Bindungslänge aus, um die energetische Lage zu bestimmen:

\begin{aligned}
\frac{\widetilde{\nu}_{\mathrm{DCl}}}{\widetilde{v}_{\mathrm{HCl}}} &= \frac{2 \widetilde{B}_{\mathrm{DCl}}(j+1)}{2 \widetilde{B}_{\mathrm{HCl}}(j+1)}  \\ \\ &=\frac{\widetilde{B}_{\mathrm{DCl}}}{\widetilde{B}_{\mathrm{HCl}}} = \frac{I_{\mathrm{HCl}}}{I_{\mathrm{DCl}}} = \frac{\mu_{\mathrm{HCl}}}{\mu_{\mathrm{DCl}}} \\\\&=\frac{1.6266}{3.1624} = 0.5144
\end{aligned}
\widetilde{ \nu }_{\mathrm{DCl}}=0.5144 \, \,  \widetilde{ \nu }_{\mathrm{HCl}}
\widetilde{ \nu }_{\mathrm{HCl}}=83.32\, \mathrm{cm}^{-1},  \, 104.13  \, \mathrm{cm}^{-1}, \ldots
\widetilde{ \nu }_{\mathrm{DCl}}=42.86 \,  \mathrm{cm}^{-1},  \, 53.56 \,  \mathrm{cm}^{-1}, \ldots


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Einzelnachweise

[1] R. L. Hausler & R. A. Oetjen: J. Chem. Phys. 21, 1340 (1953)