Umweltverträglichkeit wasserlöslicher Polyvinylalkohole in aquatischen Systemen

Polyvinylalkohol (PVA) ist ein synthetisch hergestellter, thermoplastischer Kunststoff, welcher in der Europäischen Union als Lebensmittelzusatzstoff (Überzugsmittel, E1203) zugelassen ist.[1, 2]

Am bekanntesten ist dieser Kunststoff in Form der wasserlöslichen Hülle von Einzeldosis-Wäscheblöcken oder -flüssigkeiten, welche in vielen Haushalten alltäglich geworden sind. Wasserlösliche Filme können so zugeschnitten werden, dass sie sich bei sehr spezifischen Temperaturen in Wasser auflösen. PVA ist aber nicht das einzige wasserlösliche Polymer auf dem Markt. [3, 4]

Allgemeine Informationen


PVA hat ein breites Anwendungsspektrum und findet daher Eingang in nahezu jeden Wirtschaftszweig inklusive der Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung und Medizin.[5] Polyvinylalkohol zeigt eine Reihe von nützlichen und modifizierbaren Eigenschaften:

  • PVA ist geschmack- und geruchlos,
  • ungiftig,
  • biokompatibel und zeigt
  • ausgezeichnete filmbildende, emulgierende und klebende Eigenschaften.

PVA zeigt weiterhin:

  • eine gute Beständigkeit gegen viele Lösungsmittel; eine
  • hohe Zugfestigkeit und Elastizität,
  • hohe Kompressibilität, sowie
  • gute Sauerstoff- und Aromabarriereeigenschaften.

Tab. 1: Ausgewählte allgemeine und physikalisch-chemische Daten von PVA

ParameterWert
IUPAC-NamePolyvinylalkohol
BezeichnungenMowiol/Poval (Kuraray) [5], Elvanol (DuPont) [5]
Abk.PVA [6] / PVAL [5] / PVOH [5]
CAS-Nr.9002-89-5
SummenformelC2H4O (Wiederholungseinheit)
Molare Masse44.05 g · mol−1 (Wiederholungseinheit)
Dichte1.19 – 1.31 g/cm³ 2 [7–9]
LöslichkeitGut wasserlöslich [7–9], Gut löslich in Glycerin [7–9]
Abbautemperatur150 – 180 °C [7–9] (weichmacherfrei)
Glasübergang~ 85 °C [7–9] (vollständig hydrolysiert)
Ceiling-Temperatur~ 200 °C [7–9]
Schmelzpunkt180 – 240 °C [7–9]; 228 °C [7–9] (vollständig hydrolysiert)
Siedepunkt228 °C [4]

Diese Eigenschaften sind jedoch alle von verschiedenen Faktoren abhängig: Unter anderem vom Wassergehalt, sowie dem Polymerisations- und Hydrolysegrad, usw.[5, 6] Die Synthese von PVA erfolgt typischerweise durch die Polymerisation von Vinylacetat zu Polyvinylacetat (PVAc), gefolgt von der Verseifung der PVAc-Partikel.[5, 6]

Synthese und Modifikation

PVA wird im industriellen Maßstab durch Hydrolyse von Polyvinylacetat (PVAc) hergestellt.[15] Die Polymerisationsreaktion von Vinylacetat zu Polyvinylacetat kann in Batch- oder kontinuierlichen Verfahren durchgeführt werden. Im kontinuierlichen industriellen Prozess folgt auf die radikalische Polymerisation von Vinylacetat die alkalische Alkoholyse von PVAc:[4]

Abb. 1: Industrielle Herstellung von PVA.

Das Molekulargewicht von PVAc wird normalerweise durch die Festlegung der geeigneten Verweilzeit im Polymerisationsreaktor, der Vinylacetat-Zufuhrgeschwindigkeit, der Lösungsmittelmenge (Methanol), der Konzentration des Radikalinitiators und der Polymerisationstemperatur gesteuert. Der Hydrolysegrad von PVAc wird durch die Verweilzeit, die Konzentration des Katalysators (Base) und die Temperatur gesteuert. Kommerziell erhältliches PVA weit meist einen Hydrolysegrad um 70 – 99 % auf.[6, 8] Liegt der Hydrolysegrad über 98 %, kann das PVA als vollständig hydrolysiert angesehen werden.[5]

Löslichkeit kommerzieller Polyvinylakohole

Wasser ist das wichtigste Lösungsmittel [a] für Polyvinylalkohol. Die Auflösungsgeschwindigkeit in Wasser steigt im Allgemeinen mit abnehmendem Polymerisations- und Hydrolysegrad. Liegt der Hydrolysegrad unter 50 % ist PVA in Wasser unlöslich. Dabei wirkt sich der Polymerisationsgrad bei vollständig verseiften Polyvinylalkoholen stärker aus, als bei teilverseiften Polyvinylalkoholen.[4]

Polyvinylalkohole mit einem Hydrolysegrad unter 88 % lösen sich bei niedriger Temperatur besser in Wasser als bei erhöhter Temperatur. Bei längerer Lagerung müssen die Lösungen durch Zugabe von Konservierungsmitteln gegen mikrobiellen Angriff stabilisiert werden.[4] Viele anorganische Salze, insbesondere Sulfate und Phosphate, fällen Polyvinylalkohole aus wässrigen Lösungen aus.[4] Borsäure und Borax wirken als Verdickungsmittel.[4]

Nahezu alle Eigenschaften von PVA sind vom Feuchtigkeitsgehalt abhängig. Wasser – das als Weichmacher wirkt – bewirkt eine Verringerung der Zugfestigkeit, erhöht aber z. B. auch die Dehnung und Reißfestigkeit des Materials.[5, 6]

Handelsübliche PVA-Partikel zeigen eine unregelmäßige (flockartige) Morphologie.[5, 6]

[a] Einige polare Lösungsmittel wie Diethylentriamin, Dimethylsulfoxid, Formamid, Dimethylformamid und Hexamethylphosphorsäuretriamid sind relativ gute Lösungsmittel.

Umwelteintrag von Polyvinylalkohol

Das Umweltverhalten von PVA, eines der wenigen wasserlöslichen Vinylpolymere, wurde bislang vor allem wegen seiner umfangreichen Verwendung in der Textil- und Papierindustrie untersucht, die beträchtliche Mengen von PVA-haltigen Abwässern erzeugen. Seit einigen Jahren wird auch in Verbraucherprodukten PVA, meist in Form wasserlöslicher Verpackungen, verwendet. So findet PVA vor allem Eingang in die aquatischen Systeme.[10]

Biologischer Abbau von Polyvinylalkohol

Die Art des biologischen Abbaus von PVA scheint weitgehend von der Art der Umgebung abhängig zu sein.[10, 8] Polyvinylalkohol-verwertende Mikroorganismen assimilieren PVA hauptsächlich in aquatischer Umgebung, sodass in akklimatisierten aquatischen Systemen hohe Grade des biologischen Abbaus beobachtet wurden.[8] Auf der anderen Seite wurde in Boden- und Kompostmilieus wiederholt mäßiger oder schlechter mikrobieller Abbau festgestellt.[8] In Boden- und Kompostmilieus könnten lignolytische Pilze durch unspezifische Oxidation von PVA zum nicht-metabolischen Abbau beitragen.[10]

Viele Faktoren beeinflussen die Abbaubarkeit von PVA in der Umwelt – unter anderem die Zahl von PVA-abbauenden Bakterien in den Milieus, der chemische und physikalische Zustand der PVA‑Partikel und die Art und Stärke der Wechselwirkungen von PVA mit den organischen und anorganischen Komponenten der festen Umweltmatrizen (Adsorptions- und Desorptionsverhalten).[8, 10] Es scheint so zu sein, dass sowohl in Boden- und Kompostmilieus, als auch in aquatischen Systemen bevorzugt niedermolekulare PVA-Moleküle abgebaut werden.[8]

Viele Studien zielten darauf ab, die biologische Abbaubarkeit von reinem PVA zu untersuchen, während in der Umwelt verteilte PVA-Partikel auf Blasfolien basieren. Diese Folien enthalten bis zu 20 Gew.-% verschiedene Additive. Als Additive kommen u. a. Stärke, Glycerin und Wasser in Frage, aber auch (andere) Weichmacher.[8] Zu den Verunreinigungen, die in Polyvinylalkohol vorhanden sein können, gehören: Unverseiftes Polyvinylacetat, Natriumacetat, Lösungsmittel wie Methanol und restlicher Katalysator (Benzoylperoxid und Natriumhydroxid).[7]

Im Folgenden beschränkt sich die Betrachtung auf den Abbau in wässriger Umgebung, da die wasserlösliche Hülle der „Somat Gold 12 Multi-Aktiv Tabs“ über das Abwasser zunächst und hauptsächlich Eingang in aquatische Systeme findet.[10]

Aerober biologischer Abbau von PVA in aquatischen Systemen

Es wurden viele Untersuchungen über den biologischen Abbau von PVA in aquatischen Systemen durchgeführt, da es sich um ein wasserlösliches Polymer handelt. Entscheidend für den Abbau scheint die Wasserlöslichkeit des Polymers zu sein. In den meisten Fällen wurden signifikante Grade des biologischen Abbaus nur in Gegenwart von akklimatisierten PVA-abbauenden Mikroorganismen erreicht.[7] Studien, die mit Klärschlamm durchgeführt wurden, zeigten, dass die langfristige Akklimatisierung der mikrobiellen Populationen ein strenger Parameter für eine effiziente Entfernung des Polymers ist. Ein begrenzter biologischer Abbau (13% nach 21 Tagen Inkubation) von Blasfolien auf PVA-Basis wurde bei aeroben biologischen Abbautests in Flüssigkulturen, die mit kommunalem Klärschlamm beimpft wurden, beobachtet. In einem längeren Zeitraum konnte eine aktivere und spezialisiertere mikrobielle Population aufgebaut werden, wie ein nach 21 Tagen festgestellter erheblicher Grad des biologischen Abbaus der PVA-basierten Probe zeigte. In Gegenwart des Klärschlamms aus der Kläranlage einer Papierfabrik erreichte der biologische Abbaugrad von PVA und PVA-basierten Blasfolien so Werte, die mit denen von Zellulose vergleichbar sind. Dies geschah jedoch erst nach einer längeren Inkubationszeit. Das beobachtete Verhalten lässt sich dadurch erklären, dass im Klärschlamm der Papierfabrik vorhandene Mikrobenstämme besonders aktiv am biologischen Abbau von PVA beteiligt sind, wahrscheinlich aufgrund des selektiven Drucks, der durch die große Menge an PVA im Abwasser von Papierfabriken ausgeübt wird.[7-9] Tatsächlich wurde in Gegenwart von nicht akklimatisierten Hausschlamm-Mikroorganismen vielfach ein schlechter biologischer Abbau festgestellt.[9] Respirometrische Untersuchungen zeigten, dass PVA in Gegenwart geeigneter Mikroorganismen unter geeigneten Inkubationsbedingungen vollständig mineralisiert werden konnte.[9]

Vielseitige Mechanismen für den PVA-Abbau, darunter aerobe und anaerobe, metabolische und nicht-metabolische sowie symbiotische Mechanismen, deuten auf ein Potenzial für die biologische Abbaubarkeit von PVA in der Natur hin.[8,10] Auch die Morphologie der Partikel scheint eine wichtige Rolle für die Abbaubarkeit zu spielen. Die unregelmäßige Morphologie kommerziell erhältlicher PVA‑Partikel ist nicht nur verantwortlich für Agglomeration in wässriger Lösung, sondern auch für eine schnellere biologische Abbaubarkeit (im Vergleich zu Partikeln mit einer gleichmäßigen Morphologie).[6]

Studien von Chai et al. (2009) zur Abbaubarkeit verschiedener PVA/Stärke-Mischungen zeigten nach 180 Tagen einen 17.20‑36.66 %‑igen Abbau der PVA-Mischungen (gemessen nach CNS 14432; äquivalent zu ISO 14855 und ASTM D5338).[9] Unter Verwendung eines kinetischen Modells wurde so geschätzt, dass 32.47, 16.20 und 12.47 Jahre benötigt werden, bis die PVA/Stärke-Mischungen, die 0 bzw. 20 bzw. 40 % Stärke enthalten (mit 20 mol % Glycerin als Zusatzstoff), unter Umgebungsbedingungen bis zu 70% abgebaut werden. Daraus kann geschlossen werden, dass, mit der Zugabe der Stärke die Umweltbelastung durch den Einsatz dieser umweltfreundlichen Materialienverringert werden könnte.[9]

Prozess des mikrobiellen Abbaus

Als PVA-abbauenden Mikroorganismen wurden von – unter anderem – Chiellini et al. (2003) und Liu et al. (2019) aerobe Bakterien identifiziert, die zur Gattung Pseudomonas, Alcaligenes und Bacillus gehören.[8, 11] Diese können PVA axenisch abbauen, allerdings wurden auch komplexere Abbaumechanismen (symbiotischer Abbau durch Co-metabolische Prozesse (z. B. sog. „cross feeding“) z. B. bei verschiedenen Pseudomonas sp. Stämmen) gefunden. Über den mykotischen Abbau gibt es wenig Erkenntnisse, allerdings ist der Boden, die Zielumgebung bei landwirdschaftlicher Nutzung von PVA, weitgehend von Pilzen besiedelt, die eine grundlegende Rolle im biochemischen Kreislauf der organischen Substanz spielen.[9, 10] Zu den Pilzen, die PVA abbauen können, gehören u. a. Penicillium spp.[11] und Flammulina velutipes.[12] Der Metabolismus von PVA in aeroben Bakterien kann in die folgenden zwei Abbauklassen eingeteilt werden:[8, 10]

  • Der anfängliche Angriff der PVA-Ketten erfolgt extrazellulär in wässriger Lösung (extrazelluläre Depolymerisation) durch SAO und sukzessive Hydrolyse von Diketonstrukturen durch BDH und
  • die Aufnahme von ganzem PVA (oder teilweise depolymerisiertem PVA) in das Zytoplasma und plasmatischer Abbau von PVA durch PQQ-abhängigen PVADH und BDH (oder OPH).

Die niedermolekularen Produkte, die bei der enzymatischen Oxidation von PVA und der anschließenden hydrolytischen Spaltung von b-Diketonen und b-Hydroxyketonen entstehen, sind eine Mischung aus Acetoxy-Hydroxy- und Hydroxyfettsäuren. Diese Fragmente gelangt ins Innere der Zellen, wo die durch Zytoplasma-Esterase vermittelte Deacetylierung zur Freisetzung von Essigsäure und Hydroxyfettsäuren führt, die im Zytoplasma durch b-Oxidation und den Tricarbonsäurezyklus (TCA) weiter metabolisiert werden.[7, 11] Die enzymatische, zufällige Kettenspaltung von PVA-Ketten scheint durch die Strukturmerkmale der Polymere, wie Polymerisationsgrad und Hydrolysegrad, nicht nennenswert beeinflusst zu werden, zumindest solange der Hydrolysegrad im Bereich von 80-100% liegt.[11]

Anaerober biologischer Abbau von PVA in wässriger Umgebung 

Hinsichtlich des anaeroben biologischen Abbaus von PVA liegen derzeit (Stand: Juli 2020) nur wenige Studien vor.[8, 10] Im Gegensatz zum biologischen Abbau von PVA unter aeroben Bedingungen scheint der anaerobe biologische Abbaurate von PVA gering und wird durch das Molekulargewicht stark beeinflusst. Da der größte Teil des PVA-haltigen Abwassers durch aerobe Systeme, einschließlich Belebtschlamm, behandelt werden kann, sind aerobe Stoffwechselsysteme und aerobe Mikroorganismen am wichtigsten.[7]

Einzelnachweise

[1]       F. Meier, N. Stelter, D. M. Lee, N. J. Zeese, J. Tolls, SOFW-Journal 2013, 59.
[2]       Monosol, „Resources. Customers can find technical information for their specific films, compounds, or solutions.“, zu finden unter https://www.monosol.com/resources/#safety-date.
[3]       M. Julinová, L. Vaňharová, M. Jurča, Journal of Environmental Management 2018, 228, 213.
[4]       M. L. Hallensleben, R. Fuss, F. Mummy, Polyvinyl Compounds, Others, 2015.
[5]       E. Ogur, Polyvinyl Alcohol: Materials, Processing and Applications. Expert overviews covering the science and technology of rubber and plastics. Report 192, Shawbury, Shrewsbury, Shropshire (United Kingdom), 2005.
[6]       L. S. Peixoto, F. M. Silva, M. A. L. Niemeyer, G. Espinosa, P. A. Melo, M. Nele, J. C. Pinto, Macromol. Symp. 2006, 243, 190.
[7]       B. Nair, Int J Toxicol 1998, 17, 67.
[8]       E. Chiellini, A. Corti, S. D’Antone, R. Solaro, Progress in Polymer Science 2003, 28, 963.
[9]       W.-L. Chai, J.-D. Chow, C.-C. Chen, F.-S. Chuang, W.-C. Lu, J Polym Environ 2009, 17, 71.
[10]    F. Kawai, X. Hu, Appl Microbiol Biotechnol 2009, 84, 227.
[11]    Y. Liu, Y. Deng, P. Chen, M. Duan, X. Lin, Y. Zhang, J Basic Microbiol 2019, 59, 368.
[12]    S. Tsujiyama, A. Okada, Biotechnol Lett 2013, 35, 1907.
[13]    S. Masayuki, T. Tsuyoshi, N. Koichi, H. Shigeaki, Bioscience, Biotechnology, and Biochemistry 2014, 60, 1056.
[14]    C.C. DeMerlis, D.R. Schoneker, Food and Chemical Toxicology 2003, 41, 319.  
[15] https://www.lebensmittellexikon.de/p0004270.php (Abgerufen am 21.08.2020)